Spannungsfeld und Bereicherung
Wie Verschiedenartigkeit unsere Ehe prägt
Text: Angelina Hufen // Fotos: Rebekka Eversmann
Hi, wir sind Christian & Angelina. Wir sind verheiratet und haben einen kleinen Sohn, Noah. Angelina ist Redakteurin bei Wildblume. Für „Buntmalerin“ haben wir uns einer Art kleinem Selbstexperiment unterzogen: einem Interview mit uns selbst. Über unsere Unterschiedlichkeit und was sie für unsere Beziehung bedeutet. Setz dich gern zu uns und hör uns zu, wie wir zusammen ein paar Fragen an uns gegenseitig richten, immer jeweils dieselbe Frage an uns beide.
Welche drei Dinge fallen dir spontan ein, die an mir (der jeweils anderen Person) anders sind?
C: Das Maß an Kreativität. Dass sie mehr dein Leben prägt und du viel kreativer denkst. Du sagst mir auch, dass ich kreativ bin. Aber bei dir ist es mehr künstlerisch, musisch und so, literarisch …
A: Mir fällt als Erstes dein Pragmatismus ein. Vieles, wie du Dinge angehst und löst und auch denkst, kommt von der praktischen Seite her und von dem her, wie es effektiv und logisch ist. Und das macht dich auch tatsächlich sehr effektiv.
A: Du arbeitest zügiger als ich, bewegst dich sogar in alltäglichen Bewegungen schneller als ich. Lacht.
C: Du recherchierst viel mehr als ich und willst gute Grundlagen für deine Entscheidungen haben. Und denkst allgemein viel über Sachen nach.
C: Du bist viel geselliger und „wärmer“ als ich.
A: Ooh, danke. In manchem bist du optimistischer als ich. Du gehst bei vielen Dingen schneller davon aus: „Ach, das wird schon.“ Und manchmal ärgert mich das zuerst, aber irgendwie ist es auch cool.
Was sind drei Dinge, die du an mir schätzt?
A: Dass du in dir ruhst. Du hast das irgendwie durch deine Familie mitbekommen, dass du in Ordnung bist, so wie du bist. Und das spürt man. Das finde ich total schön und inspirierend.
C: Cool, ich wusste nicht, dass man das spürt.
An dir schätze ich sehr dein aufrichtiges Interesse an Menschen. Das hängt auch mit deiner „Wärme“ zusammen.
A: Deine riesige Hilfsbereitschaft.
C: Wie sehr du nach deinen Überzeugungen lebst.
A: Das liebe ich auch an dir. Und ich sehe und schätze an dir, wie du an dir arbeitest. Da bist du mir ein Vorbild.
C: Deine weiche Haut mag ich voll gerne.
A: Danke! Lacht.
Siehst du einen Zusammenhang zwischen unserer Unterschiedlichkeit und der Tatsache, dass wir uns ineinander verliebt haben?
C: Nicht bei allen Unterschiedlichkeiten. Mich hat vor allen Dingen das Warmherzige, das Menschenzugewandte enorm angezogen. Und deine Überzeugungen. Zu merken, du willst dein Leben mit voller Hingabe für das leben, was dir wichtig ist. Das ist für mich sehr attraktiv.
A: Genau das hat mich an dir auch angezogen. Und deine ruhige Art. Weil ich das in mir nicht habe. Lacht. Ich fand es geheimnisvoll, dass du nicht so schnell so viel geredet hast. Wenn du etwas gesagt hast, hatte es meistens Hand und Fuß.
Welche Unterschiedlichkeit zwischen uns fordert dich besonders heraus?
Beide überlegen eine Weile.
A: Ich empfinde deine Art manchmal als unfreundlich. Das auszuhalten, fällt mir sehr schwer.
C: Ich habe oft Schwierigkeiten, mit deinen negativen Emotionen umzugehen. Manches wirkt für mich nicht so groß, als dass man so stark darauf reagieren müsste. Ich weiß aber, dass das erlaubt sein muss …
A: Manchmal wäre es mir wichtig, jemandem noch mehr Zuneigung, Wärme und Herzlichkeit zu vermitteln. Wobei dir in dem Moment zum Teil Abläufe wichtiger sind und dass etwas vorangeht. Das fordert mich sehr heraus. Ich empfinde es oft als lieblos. Ob mit unserem Sohn Noah, in anderen Teams oder während Veranstaltungen …
C: Du bist ein Ideenmensch und von vielem begeistert. Manchmal werden die Ideen zu Projekten … und gleichzeitig stehen dir oft zwei Dinge nicht genügend zur Verfügung: die Tatkraft und die Zeit. Wenn es nur das allein wäre, könnte ich damit gut leben. Aber jetzt kommt hinzu, dass dich dieser Zustand stresst. Und dass du das äußerst. Und das strengt dann auch mich an. Lacht. Nicht so sehr die Tatsache, dass es so ist, sondern dass du das trotzdem versuchst und darüber traurig bist oder dich ärgerst. Damit kann ich nicht gut umgehen.
Was denkst du, warum verletzten und verärgern wir einander durch unsere Unterschiedlichkeit?
A: Ich denke, weil wir das Gefühl haben, es greift uns an. Mir geht es so, dass für mich schnell das, wie jemand anders ist, als eine Art Gesetz wird. Oder zu dem, wonach ich mich ausrichten muss. Und wenn du dann sehr stark einen Wert kommunizierst, stresst mich das total. Weil ich Angst habe, dass meins nicht darin Platz hat. Dass es dann anders werden muss als ich es eigentlich aber schätze und will.
C: Ja. Es ist nur so doof und verletzt und verärgert, weil wir so eng zusammenleben.
A: Mhm, stimmt.
C: Weil wir einander nicht egal sind und weil die Kultur, die wir gemeinsam prägen, uns nicht egal ist. Deswegen ist es uns wichtig und es ärgert uns, wenn es nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen.
A: Mhm.
C: In manchem haben wir noch keine Kompromisse gefunden. Oder kämpfen noch darum, dass es einen Mittelweg gibt, oder dass unsere Aspekte genug vorkommen …
Was würdest du sagen, sind Dinge, die uns verbinden?
A: Was mich mit am meisten an dir angezogen hat, war, dass du dein Leben voll danach ausgerichtet hast, Gott und Menschen zu lieben. Das fand ich so stark. Du hast deine Studiengänge danach ausgesucht, hast dich ehrenamtlich engagiert. Und das verbindet uns. Das Leben nach unseren Überzeugungen, würde ich sagen.
C: Ich würde es, glaube ich, noch expliziter machen und voll zustimmen: Dadurch, dass wir versuchen, unsere Überzeugungen an Gott auszurichten, haben wir damit einen gemeinsamen Bezugspunkt. Gott ist quasi der, an dem sich unsere Überzeugungen synchronisieren. Letztlich kann man sagen, dass Gott uns verbindet, weil er so zentral in unserem Leben ist.
A: Ja, voll. Auch das Hobby, das wir zusammen gefunden haben, verbindet uns: unsere Wohnung zu gestalten mit unserem eigenen Stil, vielen Pflanzen, DIYs …
Und, seit knapp 2 Jahren verbindet uns unser Sohn! Das schafft noch mal andere Erlebnisse zusammen. Es ist ein riesengroßes Projekt, was man als Team stemmt, woran man wächst …
C: Es ist auch noch reicher als nur zu zweit.
A: Ja.
Was stärkt unsere Beziehung? Sind es diese verbindenden Dinge? Was noch?
C: Sich wöchentlich Zeit für die Beziehung zu nehmen. Das ist extrem wichtig.
A: Ja. Gerade, weil wir ansonsten viel unterwegs sind, brauchen wir diese feste Verabredung.
C: Sich gemeinsam von guten Dingen prägen zu lassen, finde ich sehr stark.
A: Ich finde, jeder Konflikt, nach dem wir uns wieder versöhnen, stärkt unsere Beziehung. Für mich sind das „Trotzdem-Situationen“. Momente, in denen es wehtut und wo unser Stolz angekratzt ist, wir uns dann aber trotzdem entscheiden, wieder auf den anderen zuzugehen. Wir wollen die Dinge dann auch wirklich klären, wir wollen den anderen verstehen. Diese Gespräche empfinde ich als sehr stärkend. Die Waffen niederzulegen, vor dem anderen ehrlich zu werden und wieder festzustellen: Wir wollen das Gute für den anderen, auch wenn es gerade nicht so gewirkt hat.
Wie stärken wir einander, wie tun wir einander gut, weil wir unterschiedlich sind?
C: Da haben wir tatsächlich noch viel zu lernen. Da ist noch viel Entwicklungspotenzial. Bei dir ist zum Beispiel die „Ideenseite“ sehr stark ausgeprägt und bei mir die „Umsetzen-Seite“. Aber das ist an sich eine schöne Kombination, die Cooles hervorbringen kann.
A: Es liegt immer eine Gefahr darin, zu einseitig in Eigenschaften zu werden, wenn man nur bei sich selber bleibt. Ich mit meinen Ideen, die zu viel zu vielen unerfüllten Plänen werden können und mich stressen. Du mit deinem Pragmatismus, der zu Faulheit oder Lieblosigkeit werden kann. Es kann sich verzerren bis zu einem ungesunden Maß. Wenn wir unsere Unterschiede als hilfreich annehmen, nicht als gefährlich, hat es das Potenzial, dass wir als einzelne Persönlichkeiten ausgewogener werden. Durch unsere Beziehung.
C: Die Unterschiedlichkeit ist auch eine Art von Reibung, die mir zeigt, dass mit mir nicht alles in Ordnung ist. Ich hasse das und ich brauche das. Ich brauche das, gezeigt zu bekommen, dass ich unausgewogen bin, dass ich einseitig bin. Sonst fehlt mir das Bewusstsein dafür, dass ich noch nicht der bin, der ich sein soll. Dann würde ich sehr selbstzufrieden werden und stagnieren. Die schmerzhaften Punkte, der Streit, an den wir kommen, sind da wie ein Weckruf.
Welche Stärken haben wir als Paar, weil wir unterschiedlich sind?
C: Ich glaube, wir sind zusammen empathischer, weil wir mehr Sichtweisen aufs Leben haben.
A: Stimmt.
Und ich mag es, gemeinsam mit dir in einer beratenden Rolle zu sein. Wir haben einfach unterschiedliche Gedanken und Sichtweisen. Dadurch, wer wir sind. Das empfinde ich als sehr reich und ich finde, da ergänzen wir uns richtig gut. Das macht Spaß.
Längere Pause …
Ok, das war’s. Fertig?
C: Vielen Dank, wollte ich noch sagen.
Beide lachen.
A: Das wollte ich auch schon sagen! Vielen Dank für das Interview!