Eine Frau, drei Ethnien

Zugehörigkeit als Lebensfrage

Text: Kaila Yim // Übersetzung: Conny Sasse

 

Ein Teil von mir stand immer im Konflikt. Schon früh habe ich nirgends so richtig reingepasst – egal ob bei Freunden, in der Schule, in der Kirche oder innerhalb einer ethnischen Gruppe.

Abseits, am Rand, außenstehend. Jeder dieser Begriffe beschreibt, wie ich mich an verschiedenen Stellen meines Lebens gefühlt habe. Wo und wie passe ich rein? Was macht mich zugehörig? Was bedeutet es überhaupt, „reinzupassen“? Diese Fragen quälten mich.

 

Ich bin Chinesisch-Amerikanerin mit chinesischen und amerikanischen Wurzeln und einer hispanischen Verwandtschaft durch die Wiederheirat meines Vaters. In meiner Kindheit und Jugend wollte ich mir alle diese drei Kulturen ganz und gar zu eigen machen. Wollte so sein wie die Chines*innen, die Hispanier*innen und die Amerikaner*innen, die mich umgaben. Wollte … reinpassen.

 

Und es schien mir auch zu gelingen.

 

Wenn ich bei meiner (weißen) amerikanischen Familie und deren Verwandten war, fühlte ich mich wie zu Hause: grillen, schwimmen, hausgemachten Nachtisch schlemmen, zusammen mit den Hunden im Garten sonnenbaden und die Glitzerohrringe tragen, die mir meine Mutter jedes Jahr zu Weihnachten schenkte. Sobald ich bei meiner chinesisch-amerikanischen Familie und deren Verwandten war, fühlte ich mich auch dort wie zu Hause: Dim Sum essen gehen, zusammen mit anderen Menschen, deren Augenform meiner ähnelt, durch die Straßen von Chinatown schlendern, meinem Vater zuhören, wie er mir vom chinesischen Neujahrsfest erzählt, Kantonesisch lernen, mit Stäbchen essen und Jade-Halsketten tragen. Und wann immer ich meine hispano-amerikanische Familie und deren Verwandten besuchte, fühlte ich mich … wie zu Hause: Spanisch lernen, original lateinamerikanisches Essen genießen, mit all meinen Cousins und Cousinen spielen, Fragen über Lippen- und Augenbrauenstifte stellen und goldene Halsketten tragen.

 

All das mag aufregend und lustig klingen. Doch nie gelang es mir, komplett in der jeweiligen Kultur aufzugehen. Ich stellte fest, dass ich immer wieder nur Teile meines Herzens bei den verschiedenen Orten, Kulturen und Menschen ließ. Irgendwann führte das zu einer echten Identitätskrise. Ich identifizierte mich mit Weiß-Amerikaner*innen, Chinesisch-Amerikaner*innen und Hispano-Amerikaner*innen. Ich verstand Aspekte von jeder Kultur, fühlte mich, als ob ich in jede Kultur gehörte – und war doch nie zu 100 Prozent Teil von einer. Ich war irgendwo dazwischen. Wo passte ich rein, wenn ich zum Teil einer Ethnie angehörte und zum Teil einer anderen? Sahen mich andere als Chinesin? Als Amerikanerin? Als Hispanierin?

 

Ich war zerrissen, verloren.

 

Doch irgendwann passierte dann ganz langsam etwas, das meine Perspektive komplett veränderte. Mein Wunsch, irgendwo dazuzugehören, ließ mich auf Gott aufmerksam werden. Ich begann, mehr und mehr dem zu vertrauen, was die Bibel über uns Menschen sagt, und dass Gott mich komplett annimmt. Ich fand Ruhe, Freiheit und Bestätigung darin, wie er mich sieht. Das half mir, mich nicht mehr als die Person zu sehen, die nicht reinpasst.

 

Ich hatte mein Zuhause gefunden.

 

Und ich bekam einen Blick dafür, dass ich nicht die Einzige war, die es kannte, nicht dazuzugehören. Mir begegneten Menschen, die ähnlich empfanden wie ich. Die sich allein, fremd und als störend betrachteten. Und so fragte ich mich, wie meine Geschichte und meine Erfahrung dabei helfen könnten, dass andere die gleiche Annahme und Freiheit spüren. Dieser Perspektivwechsel half mir, mich nicht mehr verloren zu fühlen. Im Gegenteil – er bestärkte mich in meiner Identität.

 

Dazu kam auch, dass ich Menschen begegnete, die mir beispielhaft zeigten, wie man andere annehmen und einladen kann, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Eine solche Person war ein Mädchen bei mir in der siebten Klasse. Sie kannte mich überhaupt nicht, lud mich aber ein, in der Pause bei ihr und ihren Freunden zu sitzen, damit ich die Zeit nicht allein verbringen musste. Wie aufmerksam und mutig von ihr! So eine Person wollte ich auch für andere sein.

 

Und so begann ich, meine Augen und mein Herz zu öffnen. Ich begann, meine Aufmerksamkeit denen zu schenken, die ohne Gemeinschaft waren.

 

Mittlerweile glaube ich, dass Gott meine Geschichte dazu gebraucht hat, andere Menschen zu ermutigen. Ich lerne immer wieder Menschen kennen, die sich nicht zugehörig fühlen. Ich verbringe ganz bewusst Zeit mit ihnen, weil ich genau weiß, wie sich das anfühlt. Ich wünsche mir so sehr, dass sie wissen, dass jemand sie sieht, sich um sie kümmert und jemand unbedingt ihre Geschichte hören will. Sie bekommen ehrliche Antworten auf ihre Fragen und können sich darauf verlassen, dass sie bei mir ganz sie selbst sein können.

 

Auf meinem Weg habe ich inzwischen gelernt, mir zu erlauben, Teile meines Herzens in verschiedenen Kulturen zu lassen – ohne unbedingt herausfinden zu müssen, in welche dieser Kulturen ich nun letztlich passe. Für mich bedeutet das, jederzeit mit allen Sinnen präsent zu sein. Meinen Tag von verschiedenen Lebensstilen, Traditionen und Gewohnheiten beeinflussen zu lassen, um dann bereichert wieder heimzukehren. Einmal im Monat besuche ich nun ganz bewusst ein Restaurant, das Speisen serviert, die nicht aus einer meiner Herkunftsländer stammen. In meinen Playlisten läuft Country, Latin, Hip Hop, Rap, Gospel und hebräische Musik. Ich habe Gespräche auf Englisch, Spanisch und Chinesisch.

 

Ich glaube, dass wir alle irgendwie mit Unsicherheiten in unserer Identität zu kämpfen haben, egal ob kulturell, ethnisch, familiär oder auf andere Weise. Womit auch immer du kämpfst, fasse Mut. Ich bin davon überzeugt, dass nichts davon vergeblich ist oder unbemerkt bleibt. Du hast die Möglichkeit, deine eigenen Herausforderungen zu deinem Wohl einzusetzen – und auch zum Wohl anderer. Könnte in dem, was du als störend empfindest, Schönheit liegen? Ist es möglich, dass gerade du jemandem Mitgefühl schenken kannst, weil du mal in einer ähnlich schwierigen Situation warst? Könnte dein offener Umgang mit deinen Unsicherheiten zu engerer Verbundenheit führen? Es gibt Hoffnung und Gnade für die, die sich abmühen, dazuzugehören, die nicht wissen, wo sie hingehören und die, die mit ihrer Identität kämpfen.

 

Lasst uns Frauen sein, die ihre Vielfalt nutzen, um einander zu einem Leben in Freiheit zu ermutigen. Frauen, die ihre Unsicherheit und Zerrissenheit gebrauchen, um einander zu zeigen, dass niemand damit allein ist. Frauen, die ihre Einsamkeit zum Anlass nehmen, um darin einander zu begegnen und um die Geschichten voneinander zu hören. Lasst uns Frauen sein, die sich diese Spannungen zu eigen machen, anstatt davonzulaufen und sich zu verstecken. Und lasst uns Frauen sein, die Vielfalt aktiv suchen, um unsere Perspektiven, Weltanschauungen und Beziehungen voneinander prägen zu lassen.